Blog Foxy Lady
Atlantiküberquerung: 2.200 Meilen Wind & Wellen
Mindelo, Kap Verden, der 22.12.2016
Viele Seglerfreunde stehen am Steg, Leinen fliegen an Deck, "gute Reise!" Wünsche in verschiedenen Sprachen und laute Signalhörner verabschieden uns zu unserem großen Törn über den Atlantik, von Ost nach West, die sogenannte Barfußroute im Passatwindgürtel.
Der Moment, für den wir uns so lange vorbereitet haben. Der Moment, an dem unser großer Traum von unserer Atlantiküberquerung beginnt. 4.000 Meilen in gut 4 Monaten sind wir bis hierher gesegelt, zu unserem Absprung über den großen Teich. Wir leben unseren Traum, ein unbeschreibliches Gefühl. Wir sind überwältigt von den Emotionen, die ausgelöst werden. Gänsehaut und gleichzeitig Pippi in den Augen.
Wir starten im 2.Reff. Immer noch fegen starke Böen die Hänge Mindelos hinunter und zwischen den Inseln Sao Vicente und Santo Antao erwartet uns eine Düse mit bis zu 30 Knoten Wind, die uns schnell aus dem Kanal auf den offenen Atlantik schieben. Draussen finden wir sehr konfuse Wellensysteme vor. Zum Einen kommen sehr hohe Wellen aus Nordwest, ausgelöst von einem Orkantief südwestlich von Irland letzte Woche, zum Anderen die Passatdünung aus Nordost. Diese Wellen treffen fast in einem 90 Gradwinkel aufeinander, das macht das Ganze sehr unberechenbar und unangenehm. Eine HR 36, die gestern in Mindelo ankam, berichtete von Wellen, die unvermittelt ins Cockpit kamen. Na dann viel Spaß, denken wir uns.
Wir stellen uns so gut es geht auf die Wellen ein und segeln zuerst einen südlicheren Kurs, um aus der Abdeckung Santo Antaos zu kommen.
Freudig werden wir nach kurzer Zeit von einer Gruppe verspielter Delfine auf dem Atlantik begrüßt. Ihre Bäuche schimmern rosa und sie sind relativ klein, aber total verspielt. Aber nur kurz die Aufmerksamkeit auf uns gerichtet und schon sind sie wieder weg.
Auf dem Abschnitt zu den Kap Verden ist uns ja unser Spifall gerissen, was uns den Code 0 gekostet hat. Auslöser hierfür war der Ausfall des Autopiloten im Windmodus, da die Windanlage im Masttop einen Kurzschluß verursacht hat. Wir haben dies in Mindelo mit Hilfe von Zange und viel Kontaktspray für die Steckverbindung repariert und es lief die letzten Tage am Steg einwandfrei.
Jetzt, nur 15 Meilen nach Abfahrt passiert das gleiche wieder: alle Winddaten sind auf einmal weg, der Autopilot hat seinen Geist aufgegeben!!!
In Mindelo haben wir gelernt, das Untersystem der Winddaten aus dem Gesamtsystem zu trennen, so dass die Anlage wenigstens nach Kompass wieder funktioniert. Gesagt getan. Nach fünf Minuten funktioniert unser so wichtiger dritter Mann wieder: der Autopilot, der bis über 20 Stunden am Tag arbeiten muß und ohne dessen Hilfe wir aufgeschmissen wären. Nur eben dass unser dritter Mann jetzt nicht mehr nach dem Wind steuern kann, sondern stur nach Kompass fährt, egal, ob der Wind dreht, oder nicht. Da wir sehr tief segeln, d.h. der Wind kommt fast genau von achtern, ist jederzeit die Gefahr einer ungewollten Halse sehr groß, welche nur zusätzlichen Ärger und weitere Schäden verursachen würde.
Dennoch sind wir uns einig: das hält uns nicht auf! Wir sind zwar ziemlich frustriert deswegen, aber irgendwie ist es auch ein Ansporn, es dennoch zu schaffen. Wir haben uns ja auch vorgenommen, die ganze Strecke ohne Motorhilfe zu segeln, auch bei Flaute. Es hätte sowieso keinen Zweck bei diesen Entfernungen, da wir nur 100 Liter Diesel an Bord haben. Und dies ist die Notration.
Zu dieser Enttäuschung wird jetzt die chaotische Wellensituation immer intensiver. Die Wellen kommen quer zueinander, brechen sich direkt hinterm Boot oder kommen im 90 Gradwinkel auf einmal auf uns zugerollt mit lauter Gischtwelle. Solche Wellen drehen das Boot manchmal innerhalb von Sekunden um bis zu 40 Grad aus der Richtung, da heisst es "immer schön aufpassen!"
Wir entschließen, uns nach den Hauptwellen auszurichten, das Groß zu bergen und segeln nur mit Genua weiter. Eigentlich Kaffeesegeln. Heute mit permanenter Schiffschaukel dabei. Die Bootsbewegungen verursachen dann auch, dass das Bier nicht mehr richtig schmecken will. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es uns nicht wirklich gut geht. Jetzt bloß nicht seekrank werden!! lautet die Devise.
Drei Tage dauert dieser Zusatand an, wir segeln stur in südlichere Richtung nur mit Genua im Schleichtempo und warten darauf, dass sich die Wellen beruhigen und der Wind ein wenig mehr auf Nordost dreht.
Wir haben es geschafft: heute wird geduscht, gekocht, die Lebensgeister kehren zurück! Es ist unglaublich, wie schnell der Körper und der Geist sich wieder erholt, wenn es ruhiger wird. Jetzt schmeckt auch wieder das Bier zum Essen.
Der Wind nimmt ab, jetzt nur noch 15 Knoten und wir wollen heute erstmals wieder den Code 0 setzen, unser altes Ersatzsegel.
Doch es passiert das Unglaubliche, das für uns Unfassbare: beim Ausrollen des Segels, ohne jeglichen Druck, reißt auch das 2. Spinnakerfall unvermittel ab und unser Segel landet im Atlantik!!
Wir können es nicht glauben, als wir mühevoll das Segel bergen und das abgerissene Ende des Spifalls entdecken! Das neue Fall haben wir sehr sehr selten benutzt, da wir unsere großen Segel immer auf der Backbordseite angeschlagen haben. Es hatte keinerlei Abrieb oder andere Abnutzung, es bleibt unerklärlich für uns.
Doch dieser Schock sitzt jetzt richtig tief: wir haben alle Leinen im und am Mast vor unserer Reise ausgetauscht. Jetzt fragen wir uns, wie gut die restlichen Leinen halten. Wir müssen ja noch ca. 1.700 Meilen segeln. Einziger Trost dieses Mal: das Segel ist nicht beschädigt. Dafür aber unser Vertrauen in das Tauwerk - wie ärgerlich ist das denn!! Wir hatten den Traum, tagsüber mit dem Code 0 über den Atlantik zu fliegen, nachts auf die Bremse, um dann nächsten Tag wieder "segeln zu gehen". Jetzt entschließen wir uns, vorerst nur noch auf Materialschonung zu gehen, dann brauchen wir eben zwei, dreiTage länger.
In Mindelo haben wir ein altes Genuafall alls Ersatzspifall für das bereits gebrochene Fall in den Mast eingezogen. Wir entschließen uns, es morgen wieder zu versuchen, unser altes Segel mit dem alten Fall hochzuziehen und zu segeln. Heute lohnt es sich nicht mehr, in einer Stunde wird es bereits dunkel.
So haben wir uns Weihnachten auf See nicht vorgestellt: bereits am Heilig Abend haben wir auf unseren Kartoffelsalat mit Würstchen verzichtet - wegen der Schaukelei. Heute bekommen wir als Geschenk das gerissene Fall, schöne Bescherung!
Dafür schmeckt heute Abend der Wein auch wieder und so verbringen wir bei flauem Wind und sternenklaren Himmel doch noch einen versöhnlichen Weihnachtsabend - mit Verspätung eben.
2. Weihnachtstag
Auch heute finden wir wieder tote fliegende Fische - die Opfer der Nacht - an Deck. Sie sind die einzig treuen Begleiter in den letzten Tagen, die in den hohen Wellen immer wieder ihre Flugkünste darbieten.
Wir haben sehr wenig Wind. Endlich eine bleibende Ruhe denken wir uns und genießen die Entspanntheit, auch wenn wir nicht richtig vorwärts kommen. Wir setzen wie geplant den Code 0 noch einmal und endlich klappt alles! Für den großen Spi ist der Wind nicht konstant genug. Der Spi würde sich regelmäßig um das Vorstag wickeln und irgendwann irgendwo hängen bleiben. Der Code 0 steht einfach besser. Wir bauen uns ein Notbimini, denn die Sonne fängt an, erbarmungslos zu brennen. Es ist kaum auszuhalten, da wir so gut wie keinen Windhauch zwecks Abkühlung spüren. Die Solarpaneele werden auf Deck ausgelegt um Strom zu gewinnen, es wird ein gemütlicher Faulenzertag. Entsprechend schaffen wir heute auch nur 99 Meilen in 24 Stunden, das ist unser bisheriger Minusrekord!
Die Nächte sind jetzt sehr dunkel, wir haben Neumond, d.h. der Mond ist quasi nicht vorhanden. Dafür aber das Sternenzelt über uns. Es ist immer wieder atemberaubend, die unendlich vielen Sterne und wenn dann noch Sternschnuppen vom Himmel fallen, ist die Stimmung perfekt. Teilweise ist es so dunkel, dass wir das Vorsegel nicht mehr sehen können. Wir gewöhnen uns daran, ins Nichts zu segeln, ohne jegliche Umrisse sehen zu können, auch wenn es manchmal unheimlich ist.
Jetzt wollen wir es mit Angeln versuchen. Seit zwei Tagen haben wir eine Schleppangel hinter uns herziehen, allerdings ohne Erfolg. Aber nach altem norddeutschem Recht sind alle guten Dinge drei! Am dritten Tag unser erster Fang! Die Größe gerade richtig, ergibt es zwei Portionen, die auch sehr schmackhaft sind. Eine herrliche Abwechslung im Speiseplan! Doch so richtig kommt keine Freude auf. Wir sind es eher nicht gewohnt, selber die Tiere zu töten, die wir essen. Daher gibt es den Rest der Reise allenfalls noch Fisch aus der Dose, in Tomatensauce.
Seit Beginn unserer Reise haben wir kein Schiff gesehen. Manchmal gab es Meldungen über AIS, dass 30 - 60 Meilen entfernt irgendwelche Schiffe sind. Gesehen haben wir aber keines. Heute kreuzt ein 200 m langer Frachter unseren Weg. Ein netter Smalltalk über Funk, wer, wohin, wie lange etc. und ein gegenseitiges happy new year!! und schon trennen sich die Wege wieder voneinander. Überhaupt sind die letzten Tage nicht gerade geprägt von Abwechslung puncto Naturbegegnungen oder anderen Ereignissen, so dass die Freude umso größer ist, einen stinknormalen Frachter zu treffen! Wir sind doch nicht alleine!
Zwar kommen manchmal Delfine vorbei, die aber haben wohl keinerlei Interesse an uns. Das kennen wir auch anders, z.B. aus der Biskaja, wo die Delfine uns immer lange begleitet haben.
Und wie auf Bestellung erscheint dann ein großer Schatten hinter uns. Eine kleine Rückenflosse kommt aus dem Wasser, ein wenig Rücken und schon taucht der 8-9 m lange Wal unter unserem Boot hindurch. Dabei dreht er sich auf den Bauch, wir sehen nur noch eine weisse Fläche. Er scheint fast so verspielt zu sein, wie es sonst die Delfine sind. Doch dieses Mal ist es wohl kein Spiel. Der Wal wiederholt alle zwei bis drei Minuten dieses Manöver, kommt von schräg achtern auf unser Boot zu, beschleunigt an unserer Steuerbordseite entlang, dreht sich auf den Bauch und taucht unter unserem Boot durch, direkt vor dem Kiel. Es scheint. als wenn wir ihm bei der Jagd helfen. Nur wenige Male kommt er kurz aus dem Wasser, als wäre er kamerascheu. Über eine Stunde geht dieses Spektakel, dann dreht der Wal wieder ab. Welch ein Schauspiel!
Heute ist Silvester! Leider nicht unter Sternenhimmel und 26 Grad, sondern bei Regenfronten mit Schauerböen, sogenannten Squalls, für die diese Passatroute berühmt berüchtigt sind und die von jeder Crew gefürchtet werden, zumindest nachts. Überfallartig kommt ein Winddreher und dann der Regen und sehr starker Wind. Innerhalb von Sekunden bläst es mit 30 Knoten, die Sicht meistens gleich Null. Manche duschen dabei, wir nicht, dafür sind wir aber barfuß im Ölzeug......
Um so mehr können wir es dann genießen. als pünktlich zu Mitternacht (wir haben fast freie Auswahl, wann Mitternacht ist: UTC, Kap Verdische Zeit oder berechnete Ortszeit.....) der Himmel aufreißt und wir wieder unsere Sterne bewundern können zum Anstoßen! Happy new year!!!!!
Heute ist Neujahr. Eine große Gruppe von Delfinen zieht an uns vorbei, wir sind begeistert. Über 20 Tiere direkt um einen herum ist schon nett anzusehen. Sie verlieren aber auch schnell ihr Interesse an uns und ziehen weiter. Schade, es wäre eine nette Abwechslung und vielleicht auch schöne Fotos dabei herausgekommen. Dafür kommt im neuen Jahr auch neuer Wind. Wir kommen endlich wieder voran, die Segel stehen gut, die Wellen haben sich beruhigt. Die Windrichtung ist konstant, Böen wechseln sich ab. Im Wellental 4,5 Knoten um dann mit über 11 Knoten die nächste Welle runter zu surfen. Segeln macht wieder Spass!! Wir haben das Boot auf Verschleissfreiheit eingestellt. Manchmal stehen dann die Segel nicht optimal, aber jede Berührung mit Saqlingen, Relingsdrähten und ähnlichem führt innerhalb von 24 Stunden bei Segeln und Leinen zu bleibenden Schäden. Daher tritt das Thema verschleißfreies Segeln mehr und mehr in den Vordergrund. Aus diesem Grund segeln wir nachts mit der Schwerwetterfock, da diese sehr weit offen gefahren werden kann, ohne am Relingsdraht zu schamfilen (zu scheuern), und Schaden zu nehmen.
Jetzt noch gut 600 Meilen bis zum Ziel. Konnten wir die letzten Tage direkt Kurs Martinique segeln, so müssen wir heute vor dem Wind kreuzen, d.h. im 90 Grad Winkel segeln wir abwechselnd auf dem Steuerbordbug und dem Backbordbug unserem Ziel entgegen.Wir fangen an, nach Winddrehern laut Gripfiles unsere Q-Wenden zu berechnen, um immer im optimalem Winkel unseren Kurs zu finden. Gleizeitig nimmt der Wind wieder zu, 34 Knoten und 4 m Welle sind angesagt.
Da wir jetzt immer weiter in Küstennähe kommen, steigt wieder unsere Bereitschaft, das Material mehr zu belasten. Im ersten Reff und Genua rauschen wir mit zunehmender Geschwindigkeit mal Richtung Trinidad, mal Richtung Bahamas. Das ist wieder Segeln, wie es Spass macht. Welle rauf und runter mit bis zu 15,2 Knoten. Sogar nachts kommen wir im 2. Reff und der kleinen Fock auf über 9 Knoten im Surf. Endlich!! Zwischendurch macht der Wind immer mal wieder eine Pause, so dass immer wieder Ruhe einkehrt, um dann im nächsten Moment wieder in eine Rauschefahrt zu kommen.
Wir haben uns dieses Mal fest vorgenommen, im Hellen anzukommen, am liebsten vormittags. Wenn wir Gas geben, schaffen wir es, bevor der Wind in den nächsten Tagen wieder abflaut. Ansporn, Anspannung und Freude gleichzeitig. Wir verbringen zum Abschluß unseres Törns die schönsten drei Segeltage, nun voller Optimismus, dass das Material hält und wir es uns verdient haben, wieder etwas auf das Gas treten zu dürfen.
Wir werden von zwei springenden Delfinen (in der Ferne) begrüßt und auch der riesige dunkle Schatten hinter unserem Boot, der nicht zwischendurch hochkommt zum atmen, scheint uns wohl begrüßen zu wollen. Vielleicht ist es auch eine Einladung zum Fressen, es scheint sich um einen großen Hai zu handeln....
Landfall. Wir nähern uns der Bucht, wo wir hinwollen. Von weitem schon sehen wir hunderte von Masten - oh Schreck!! Gut, dass es nicht unsere Bucht mit Hafen ist, wir müssen noch fünf Meilen weiter. Wir segeln langsam unter Groß, denn der Wassermacher muß noch arbeiten und wir wollen die Landnäherung langsam genießen. Doch der nächste Schreck läßt nicht auf sich warten: wieder hunderte von Masten!! Das es hier voll ist, wußten wir schon, aber so voll haben wir es uns nicht vorgestellt. Mit Mühe finden wir einen Ankerplatz im engen Ankerfeld und kommen erst einmal an. Wir sind sehr angespannt, so groß ist unsere Aufregung.
Der Anker fällt und es dauert einige Versuche, ihn in lehmigen Grund zum Halten zu bringen. Aber dann ist es soweit. Nach 2.200 Meilen, Winden zwischen 9 und 35 Knoten, Wellen bis zu 5 Meter hoch und gut 16 Tagen sind wir am Ziel. Diese Ruhe nun ist befremdlich. Wir müssen so viel verarbeiten. Uns fehlen erst einmal die Worte. Die meistgestellte Frage hier unter den Ankommenden lautet: würdest Du es wieder tun? Wir hören sehr oft" nie wieder!"! Für uns steht aber fest:wann soll es denn losgehen, wir sind dabei!
Fotos folgen, brauchen ein besseres Internet....:-)
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