Horta, 29. Mai 2017 (Mama Ingrids Geburtstag!)
Seit 11 Tagen sind wir in Horta und hoffen auf ein gutes Wetterfenster für unsere Überfahrt nach Südengland. Heute soll es soweit sein. Noch bestimmt allerdings Regen und Flaute das Wetter hier, daher haben wir noch Zeit zum Essen gehen, Mama zum Geburtstag gratulieren und um Abschied von Horta nehmen.
Ablegen. Segel setzen. Die letzte Runde in der Bucht - Doris und Kalle und andere Segler verabschieden uns dann auch lautstark mit Tröte und großem Hallo! Wieder einer dieser unvergesslichen Momente....
Horta hat uns so gut gefallen, so dass wir uns vornehmen, wieder zu kommen, irgendwann wieder auf eigenem Kiel.
Unser erster Segeltag beginnt mit einem schönen Wind für unseren Code Zero und so ziehen wir zum Abschied deutlch mit der Heckwelle unsere Spur durch das Wasser Richtung England.
Plangemäß nimmt der Wind dann später zu. Wir wechseln auf die Genua und kommen entspannt mit 7-8 kn voran. So soll es sein!
Am 2. Tag segeln wir dann schon im 2.Reff und Genua, der Wind legt stetig zu. Wir halten unsere Geschwindigkeit, das Boot segelt verschleißfrei seine Meilen ab. Auch am 3. Tag bleibt uns der Wind dann so erhalten ohne weitere Steigerungen. Nur zu den 25 bis 27 Kn Wind kommt jetzt noch Regen hinzu. Die große Zeit der Bordheizung beginnt! Luke dicht, Heizung an. So lässt es sich auch bei Schietwetter gut leben. Nur keine Nässe unter Deck lautet die Devise!
Irgendwann am 4. Tag hört es auf zu regnen, der Wind lässt auch nach, also ist wieder ausreffen und Code Zero rausholen angesagt, damit wir wenigstens nicht unter sechs Knoten rutschen. Erstaunlicherweise entwickelt´es sich dann doch noch langsam zu einem richtig schönem Segeltag.
Auch der 5. Segeltag bleibt uns dann das super schöne Segelwetter erhalten. Kein Regen, nur wenig heftige Böen,Sonne und Wind. Geht doch! Wir laufen bis zu 10 Knoten und freuen uns des Lebens.
Später müssen wir dann noch reffen, der Wind nimmt wieder zu. Wir sind gespannt, wie sich das Wetter die nächsten Tage entwickelt.
6. Segeltag
Der Wetterbericht beschert uns heute eine kleine Überraschung: bis 45 kn Wind für Übermorgen sind angesagt.
Um am Kern des Tiefs vorbei zu segeln, gehen wir auf den anderen Bug und segeln nördlich, um so dem Schlimmsten auszuweichen. Die Gripfiles von Wetterwelt sind so gut, dass meilengenaues Segeln mit Hilfe des Barometer und der Wetterkarte sehr zuverlässig klappt. So sind wir schon Regengebieten ausgewichen, oder wie jetzt den stärksten Böen dieser Front.
Und die heutige Segelgarderobe? 2. Reff und Fock ist heute die Besegelung der Wahl und wir werden mit bis zu 11 kn Geschwindigkeit belohnt. Das Leben kann so schön sein.
Gespannt beobachten wir immer wieder das Barometer, ob der Luftdruck fällt. Was kommt da wohl?
Am Morgen des 7. Segeltags dann die Gewissheit: zuerst legt der Wetterbericht noch einen drauf. Nun sind bis zu 56 kn Wind angesagt. Da, wo wir lang segeln, allerdings nur 53 kn. Dann kommt kurze Zeit später ein Frachter, den wir anfunken. Eine total nette deutsche Offizierin ist auf der Brücke und ruft für uns das aktuelle Wetter auf und wird beim Vorlesen merklich langsamer und immer ruhiger: "....na ja, also da verbinden sich in den nächsten 5 Stunden zwei Tiefdruckgebiete zu einem gemeinsamen größerem und zieht genau über Euch weg.....(lange Pause)....ich wünsche Euch alles Gute und passt auf Euch auf!"
5 Minuten Pause bei uns an Bord. Ok, beim letzten Mal war unsere Besegelung, Groß im 3.Reff und Sturmfock bei 45 kn Wind bereits am Limit. Also heute eine Steigerung: ablaufen unter Sturmfock, Groß bergen. So der Plan.
Die Rollgenua wird extra gesichert, das Großsegel wir am Baum fest gelascht. Nichts ist mehr an Deck, was sich selbstständig machen könnte. Jetzt heisst es abwarten, wie intensiv es dieses Mal wird.
Die ersten Böen kommen. Das Boot segelt jetzt mit 4-6 kn, um bei den ersten Böen dann auf 8 bis 9 kn u beschleunigen. Alles sehr gemäßigt, jederzeit kontrollierbar. Wir sind für die Wellen schnell genug, sie laufen nicht hinten rein. Alles gut. Abwarten was passiert.
Das Heulen in den Wanten wird immer stärker. Der Wind scheint uns anzubrüllen, rundherum das Donnern brechender Wellen, die Luft voller fliegendem Wasser. Auch wenn es nicht regnet, draussen wird man heute nass und es ist sehr ungemütlich! Es ist kaum zu glauben, wie sich die Szenerie innerhalb weniger Stunden komplett verändert von normaler See zur brodelnden wilden See mit grässlicher Fratze. Die verschiedenen Gesichter des Atlantiks. Nur eines davon. Es gibt noch wesentlich schlimmere....
Als es dann für uns zu schlimm wird, verziehen wir uns nach innen. Luke dicht. Heizung an. Der Autopilot macht einen super Job, unser Wassergenerator versorgt uns ununterbrochen mit mehr als genügend Strom. Das Boot läuft die ganze Zeit sehr kontrolliert. Abwarten auf stand by.
Somit stehen wir das Wetter gut durch, da unsere Technik durchhält. Allerdings sind wir mental total erschöpft und unsere Knochen tun auch weh. Die körperliche Anstrengung liegt im ständigen Festhalten und Verkeilen, denn das Boot ist so leicht, das die Bewegungen bei solch einem Wetter sehr den Bewegungen des "Breakdancers" auf dem Kramer-, bzw. Freimarkt ähneln, nur eben 36 Stunden lang ohne Pause! Wer sich nicht festhält, bekommt blaue Flecken, so das Motto des heutigen Tages.
So bleibt uns dieses Wetter dann bis zum Ende des 8. Segeltages erhalten, bis es dann endlich abzieht und uns nur ab und zu uns noch bis zu 36 kn beschert, immer weniger werdend. Der Grundwind ist sehr moderat. Die Wellen beruhigen sich langsam. 2 Stunden später heisst es ausreffen. Nur noch 150 Meilen! Die erste Begegnung mit einem Frachter auf Sichtkontakt, es normalisiert sich das Leben wieder.
Wir müssen ein wenig vor dem Wind kreuzen und möchten dicht an die Scilly Islands ransegeln, als ein Blick auf die Imray Karte uns zeigt, dass unsere elektronischen Seekarten wieder einmal einen schweren Fehler haben: um die Scilly's herum sind lauter Verkehrstennungsgebiete, die auf der elektronischen Seekarte nicht enthalten sind! Genau wie wir es schon auf dem Weg zu den Azoren erlebt haben. Es gibt zwischen Bermuda und den Azoren eine Untiefe mit nur 5,5 m Wassertiefe, die nicht in der Karte enthalten ist. Das kann schon mal gefährlich oder teuer werden.
Noch 40 Meilen. Wir bekommen Nachschlag in Form von 30 kn Wind. Jetzt wird nicht mehr ausgerefft! Wir puschen das Boot noch einmal richtig hoch. 16,3 Kn Speed stehen auf der Logge, unser Grinsen kommt wieder ins Gesicht, trotz Erschöpfung. Außerdem haben wir mit unserem Backgroundwetterfrosch Manni eine kleine Wette um einen Pint Bier laufen, dass wir es dieses Mal im Hellen schaffen anzukommen. Nicht wie sonst immer im Dunkeln, vorzugsweise zwischen 2 und 4 Uhr.
Na ja, wir haben die Wette deutlich gewonnen! Um 19.00 Uhr können wir (nach drei Anläufen....) endlich bei Regen und Schauerböen in Falmouth festmachen!
2 Stunden später stehen wir unter den absoluten Luxusduschen des Yachtclubs, gefühlt eine volle Stunde, um danach so in die Kojen zu fallen.
Die nächsten fünf Tage vergehen wie im Flug. Wir treffen Sophie, Claas und Daphne von der Hera wieder. Seit letztem Jahr in Portugal haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt und wir haben viele schöne Stunden miteinander erlebt. Außerdem bin ich der absolute Fan von Daphne! (ihr Alter wir noch in Monaten ausgedrückt....)
Natürlich feiern wir gemeinsam unsere Atlantikrunde, treffen auch andere Segler wieder, gemeinsam wird AC Cup live im Yachtclub geschaut, wobei die Briten leider rausgeflogen sind...kurzum, wir haben gemeinsam viel Spass! Keiner profiliert sich, alle eint eines: die Liebe zur See!!
Von Falmouth aus segeln wir nach Lymington, gegenüber Isle of Wight, wo jährlich die Cowes week stattfindet, das Segelevent der Nordhalbkugel, vergleichbar mit der Kieler Woche. Auch heute erleben wir eine Rauschefahrt, schaffen 175 Meilen in 20 Stunden über Nacht, und liegen jetzt im Stadthafen von Lymington im Päckchen. Absolut idyllisch. In zwei Tagen soll es weiter gehen, dann kommt wieder Wind. Eigentlich wollten wir es schaffen zur Horumregatta wieder zu Hause zu sein, aber das wird wohl nix mehr. Schade auch.
Noch 450 Meilen. Der Atlantik liegt hinter uns. Welch Momente wir bei dieser Überquerung erlebt haben, das ist unbeschreiblich und sehr sehr emotional. Anders lässt es sich nicht beschreiben. (Widerspruch?! :-)
Atlantik, wir kommen wieder!